Es wurden bereits die Grundlagen der Graphentheorie und des Routings näher erläutert. In diesem Kapitel werden die Anforderungen, die sowohl obligatorisch als auch optional an einen routingfähigen Datenbestand für ein Verkehrsrouting gestellt werden, aufgelistet und beschrieben. Die Anforderungen werden dabei für die Nutzung via Kraftfahrzeug, Fahrrad und zu Fuß beschrieben. Dabei geht es keineswegs um Vollständigkeit, sondern es sollen hier die notwendigen und offensichtlichsten Anforderungen herausgestellt werden. Die Liste an potentiellen Modellierungsmöglichkeiten ist schier unendlich. Sämtliche Daten, die man im Zusammenhang mit Verkehrsdaten erheben kann, können unter bestimmten Umständen dazu dienen ein Routing zu verfeinern. Dabei sind aber nicht alle zwingend notwendig, um ein funktionierendes Routing aufzubauen. Zum Beispiel könnte man Daten über den Straßenbelag jeder einzelnen Straße führen. Das mag für einige Anwendungen von Vorteil sein, ist aber nicht notwendig um zum Beispiel die kürzeste Verbindung zwischen zwei Pnkten zu ermitteln.
Ausgangspunkt eines Routings ist der Aufbau eines Netzwerkes aus entsprechenden Liniengeometrien. Diese müssen eindeutig sein. Das bedeutet, sie dürfen sich nicht überlagern. Die Linien stellen die Kanten des Netzwerkes dar. Grundsätzlich müssen sämtliche Kanten, die zu einem Netzwerk gehören in dem eine Route berechnet werden soll, an das Netzwerk angeschlossen sein. Das bedeutet jede Kante muss an mindestens einer Seite eine Verbindung zum Netzwerk haben. An jedem Berührungspunkt einer Kante mit einer oder mehreren anderen Kanten, an dem ein übergang zu einer anderen Kante möglich sein soll, muss ein Knoten existieren. In der Regel werden Knoten am Anfangs- und Endpunkt einer Kante erzeugt. Die Kanten müssen Informationen darüber halten mit welchen Knoten sie verbunden sind und die Knoten mit welchen Kanten sie verbunden sind.
Um Berechnungen in Netzwerken durchzuführen, werden Gewichte benötigt. Die Standardanfragen an ein Routing in Straßennetzen sind die nach dem kürzesten und nach dem schnellsten Weg. Um den kürzesten Weg zu berechnen, reicht es aus, dass jeder Kante ein Attribut mit ihrer Länge zugewiesen wird. Für die Berechnung des schnellsten Weges benötigt man ein Attribut, dass die Dauer, die zum Befahren der Kante benötigt wird, trägt. Die Dauer ist dabei abhängig von der Geschwindigkeit mit der man die Kante befahren kann. Diese ist wiederum davon abhängig mit welchem Verkehrsmittel die Kante befahren wird und welche Geschwindigkeit maximal zulässig ist. Man kann für Fußgänger dabei eine Geschwindigkeit von circa 5 km/h und für Fahrradfahrer eine Geschwindigkeit von circa 15 km/h annehmen. Diese Werte beziehen sich vor allem auf den Stadtverkehr. Auf ausgeschriebenen Fahrradwegen außerhalb der Stadt sind sicher höhere Geschwindigkeiten möglich. Die Dauer die ein Kraftfahrzeug benötigt um eine Kante zu befahren hängt davon ab, welche Höchstgeschwindigkeit auf der Kante entsprechend zulässig ist. Aus diesem Grund wird ein weiteres Attribut benötigt, dass entweder direkt die zulässige Höchstgeschwindigkeit führt oder die Straßenklasse aus der sich diese ableiten lässt. Auch wenn ein Gewicht ausreicht um eine Route zu berechnen, sollte in jedem guten Routing sowohl der kürzeste als auch der schnellste Weg errechenbar sein. Daher werden die Länge einer Kante und die entsprechende Fahrzeit als obligatorische Attribute angesehen. Jedes weitere Attribut, dass als Gewicht dienen kann, kann optional je nach Anforderung ergänzt werden.
Jedes Straßennetz beinhaltet sowohl über- als auch Unterführungen. Diese müssen unabhängig vom Verkehrsmittel modelliert werden. Dabei gibt es verschiedene Ansätze für eine entsprechende Modellierung. Man kann zum Beispiel einfach keine Knoten an überführungen anlegen. So wird ein Abbiegen von vornherein verhindert. Es gibt aber auch die Möglichkeit, je nach System in dem das Routing angelegt wird, über- und Unterführungen mittels Attribute zu modellieren. In ArcGIS zum Beispiel können Kantenenden auf verschiedene fiktive Höhenlevel gehoben werden. Liegen konkrete Höhenangaben vor, können auch diese verwendet werden. Eine dritte Variante wäre das Setzen von Abbiegeverboten. Dem System wird verboten an einer überführung auf die überführte Straße abzubiegen.
Abbiegeverbote werden auch an vielen anderen Stellen benötigt. Die offensichtlichste Anwendung sind Kreuzungen. Nicht an jeder Kreuzung ist es dem Fahrzeug erlaubt in alle Richtungen abzubiegen. Wichtig hierfür ist das Vorhandensein entsprechender Informationen über sämtliche Kreuzungen im Straßennetz. Diese Abbiegeverbote beziehen sich ausschließlich auf das Routing via Kraftfahrzeug. Sowohl Fußgänger als auch Fahrradfahrer sind prinzipiell in der Lage Kreuzungen in alle Richtungen zu überqueren. Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass Fußgänger an allen Stellen Straßen überführen können oder sollten. Des Weiteren werden Abbiegeverbote auch für die Modellierung von Auf- und Abfahrten benötigt. Es muss zum Beispiel verhindert werden, dass man an einer Autobahnauffahrt von der Autobahn aus abbiegt. Besonders bei nicht knotenorientierten Netzwerken, bei denen sowohl beide Fahrtrichtungen als auch mehrspurige Fahrbahnen mit nur einer Kante modelliert sind, spielen Abbiegeverbote eine große Rolle. Ist zum Beispiel eine Autobahn mit nur einer Kante modelliert, die beide Fahrtrichtungen beinhaltet, so muss dem System verboten werden auf der linken Seite der Autobahn abzubiegen. Eine besondere Form des Abbiegeverbotes ist das Wenden auf Straßen, sogenannte U-Turns. In vielen Fällen ist es nicht erlaubt an Kantenenden zu wenden und die Straße zurückzufahren. Auch hier spielen wieder knotenorientierte Netzwerke eine Rolle. So wird zum Beispiel die Modellierung von U-Turns auf Autobahnen hinfällig, da es keine Verbindung zwischen linker und rechter Fahrbahn gibt und somit ein Wechsel auf die andere Seite unmöglich ist. Wird die Autobahn hingegen mit nur einer Kante modelliert, muss an jedem Kantenende ein Abbiegeverbot auf sich selbst bestehen. Abbiegeverbote können zusätzlich durch Restriktionen der Fahrtrichtungen unterstützt werden. In der Regel ist jede Auf- und Abfahrt in nur eine Richtung befahrbar. Abweichungen entstehen nur dann, wenn die Auf- und Abfahrt auf eine Straße mit nur einer Kante modelliert wurde. Die Verwendung von solchen Restriktionen erspart den Einsatz von Abbiegeverboten. Ist die Abfahrt von einer höherwertigen Straße zur niederen Straße (Beispiel Autobahn auf Landstraße) mit einer Restriktion in Richtung der niederen Straße versehen, benötigt man keine Abbiegeverbote von der niederen Straße auf die Abfahrt. Diese Restriktionen spielen aber eine noch weitaus wichtigere Rolle in der Modellierung von Einbahnstraßen und Kreisverkehren. In beiden Fällen kann die Kante nur in eine Richtung befahren werden. Sowohl die Modellierung von Auf- und Abfahrten als auch der Fahrtrichtungen sind nur für ein Routing via Kraftfahrzeug obligatorisch. Fußgänger und Fahrradfahrer sind in der Lage Einbahnstraßen in beide Richtungen zu begehen oder zu befahren. Das gleiche trifft auch auf Kreisverkehre zu. Auf- und Abfahrten werden in der Regel nicht von ihnen genutzt, da sie sich meist außerhalb von Städten befinden und zu höherwertigen Straßen wie Autobahnen gehören.
Darüber hinaus müssen einige Straßen für eine Durchfahrt gesperrt werden. Das betrifft zum Beispiel Baustellen für alle Verkehrsarten. Dazu kommen Fußgängerzonen, die für Kraftfahrzeuge unbefahrbar sind oder höherwertige Straßen wie Autobahnen oder Schnellstraßen, die für Fußgänger und Fahrradfahrer unbefahrbar sind. Diese müssen entsprechend gekennzeichnet sein. Entweder erhalten Kanten ein separates Attribut, dass Informationen darüber enthält wie Kanten genutzt werden dürfen oder sie lassen sich aus den Straßenklassen ableiten.
Aus den Straßenklassen lassen sich auch hierarchische Strukturen ableiten. Das ist von Vorteil, wenn das genutzte System in der Lage ist, hierarchische Algorithmen zu verwenden. Das ist vor allem für ein Routing via Kraftfahrzeug günstig, da so der schnellste Weg leichter gefunden werden kann, indem bestimmte Straßen wie Autobahnen bevorzugt gesucht werden. Gleiches lässt sich auch für Fußgänger und auch Fahrradfahrer modellieren. Hier werden Fußgängerwege oder ausgeschriebene Fahrradwege bevorzugt.
Da man in der Regel nicht nur eine Route grafisch angezeigt haben möchte, sondern die Route auch beschrieben haben möchte, müssen Attribute vorliegen, die eine Wegbeschreibung ermöglichen. In erster Linie betrifft dies die Straßennamen und Straßenbezeichnungen. Autobahnen und Bundesstraßen zum Beispiel tragen nur oder auch ihre spezifischen Bezeichnungen. Wegbeschreibungen können durch eine Vielzahl an weiteren Attributen zusätzlich verfeinert werden. Da sind zum Beispiel noch Orientierungspunkte oder spezifische Straßenverläufe wie S-Kurven oder Kreisverkehre, die in eine Wegbeschreibung integriert werden können.